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Der rezidivierende subareoläre Abszeß mit Milchgangsfistel Recurring Subareolar Abscess with Lactiferous Duct Fistula

G.Kreuzer,
0. Mbonu-Ojike
Frauenklinik im Zentralkrankenhaus Reinkenheide, Bremerhaven

Zusammenfassung

Der subareoläre Abszeß wird wegen seiner vielerorts unbekannten Ätiologie häufig unzureichend durch einfache Inzision oder Exzision von einem Mamillenrandschnitt aus behandelt und führt oft zu einer chronisch rezidivierenden Milchgangsfistel. Saniert man den Prozeß jedoch frühzeitig und effektiv, kann die Fistelbildung verhindert werden. Entsprechend der formalen Genese dieser Milchgangsläsion, muß der Prozeß durch einen radiären Schnitt über eine Sonde von der Mamille bis zur Fistelöffnung angegangen werden. Bei dieser Erkrankung kommt es nämlich zu einem Ersatz des ortsständigen Drüsenepithels in einem der Sinus lactiferi durch ortsfremdes verhornendes Plattenepithel. In der Tiefe des Sinus können die abgeschilferten Hornschüppchen nicht mehr abtransportiert werden, infizieren sich und bilden einen Pseudoabszeß, der meist neben der Brustwarze durchbricht. Es wird eine Serie von 27 einschlägigen Fällen aus unserer Klinik vorgestellt und die Problematik bei dieser eigenständigen Erkrankung erörtert.

Fast jeder erfahrene Senologe, gleich ob Gynäkologe oder Chirurg, kennt subareoläre Abszesse, die trotz wiederholter einfacher Inzision oder Exzision von einem Warzenhofrandschnitt aus immer wieder rezidivieren [1,91 und meist zu Milchgangsfisteln [5,14] führen (Abb. 1). Diese klinische Beobachtung zieht sich auch wie ein roter Faden durch die einschlägige Literatur. Die Patientinnen oder gelegentlich einmal ein Patient [3,11] sowie der Arzt werden durch die oft erfolglosen Behandlungen zur Verzweiflung getrieben. Vereinzelt hat diese Frustration schon zu Mastektomien geführt [1,4,8,9j, wovon auch Peters et al. allgemein bei der nonpuerperalen Mastitis berichten [16].

Ursache hierfür ist zumindest im deutschsprachigen Raum eine weitgehende Unkenntnis der Genese dieser eigenständigen Erkrankung im Rahmen der Mastitis non-puerperalis, die an Häufigkeit relativ zunimmt [13]. Nur im Handbuch der Pathologie erwähnt Bässier [2] 1978 das einschlägige englischsprachige Schrifttum, auf das sich auch Peters [17] in seiner Monographie bezieht und ein entsprechendes Beispiel präsentiert. Unseres Wissens haben Zuska et al. [19] 1951 den ersten Bericht zum Thema geliefert, weshalb gelegentlich auch von ,,Zuska's disease" gesprochen wird. Hirsch et al. [6], Horsch et al. [7] und Peters [17] erwähnen zwar die Fistelexstirpation über die Sonde (Abb. 2), ohne aber auf die Ätiologie dieses eigenständigen Krankheitsbildes näher einzugehen.

Anatomische Vorbemerkungen: Die 12-15 Milchgänge, die auf der Brustwarze münden, erweitern sich kurz vor ihrem Ausgang zu den Sinus lactiferi (Abb. 3). Diese sind in ihrem Anfangsteil (ca. 2 mm) wie die Mamillenhaut noch mit verhornendem Plattenepithel ausgekleidet [4,18]. Nach der Tiefe hin geht die Epithelialisierung der längsgefalteten Sinus dann in zweischichtiges kubisches Drüsenepithel über, wie im weiteren Verlauf der Milchgänge. Normalerweise können die abgeschilferten kernlosen Hornschüppchen der oberflächennahen Anteile der Milchsinus nach außen abgestoßen werden.

Histogenese (kausal): Aus weitgehend ungeklärten Gründen kann es auch in den tieferen Abschnitten der Milchsinus zu einem Ersatz des ortsständigen Drüsenepithels durch verhornendes Plattenepithel kommen. Diskutiert wird hier

a) ein Tieferwachsen von verhornendem Plattenepithel wie an der Zervix und am Anus [1,4,18],
18 Geburtsh. u. Frauenheilk. 59 (1999)

b) eine Plattenepithelmetaplasie mit Verhornung [4,15,18] oder
c) eine kongenitale Abnormität [4,14].
d) Weiter wird starker Zigarettenkonsum und/oder Vitamin A-Mangel als förderndes Agens vermutet
(Schafer et al. sowie Stryker et al. [zit. nach 12]).

Formale Genese: In der Tiefe der Sinus gelingt es dem Körper aber nicht mehr oder nur unvollständig, die hier von dem ortsfremden verhornenden Plattenepithel abgeschilferten Hornschüppchen in die Außenwelt abzustoßen [1]. Sie ver stopfen den Ausführungsgang [18], sammeln sich an, werden früher oder später infiziert und führen zu einer Eiteransammlung in dem aufgeblähten Sinus (Empyem). Dieser Pseudoabszeß perforiert und entleert sich meist rezidivierend paramamillär an der Basis der Brustwarze (Abb. 3). Die Folge ist dann häufig eine chronisch-rezidivierende Milchgangsfistel (Abb. 1). Nur gelegentlich zerstört die Entzündung alles ortsfremde Plattenepithel, und der Prozeß heilt aus.

Meist befällt die Läsion nur einen Milchgang, was aber nicht ausschließt, daß auch mehrere betroffen sein können [15]. Nicht selten entwickelt sich der Prozeß auch bilateral [1,12].

Patientengut und Methode

in den letzten 10 Jahren (1988-1998) haben wir 27 Fälle mit subareolärem Abszeß meist kombiniert mit einer Milchgangsfistel behandelt, darunter auch einen Mann. In zwei Fällen (7,4%) haben wir den Prozeß beiderseits beobachtet. Zur Verdeutlichung der Häufigkeit dieser Erkrankung kann berichtet werden, daß im gleichen Zeitraum rund 1000 neue Brustkrebsfälle in unserer Klinik ihre Primärtherapie erhielten.

Das Alter der Frauen mit subareolärem Abszeß lag zwischen 16 und 78 Jahren, mit einem Median von 34 Jahren. Der Mann war 40 Jahre alt. Die Tabelle gibt Aufschluß über unser Patientengut mit Befunden, Alter, Parität, Vorgeschichte, Fistelbildung, Zigarettenkonsum und Verlauf.

Die Therapie unserer Wahl war immer die chirurgische Sanierung. Unsere Operationsmethode war immer die gleiche, oft unter einer Begleitmedikation. Eine mehr oder weniger dicke Sonde (0,7-2,0 mm, je nach Fistellumen) wurde entweder von der Fistelöffnung aus oder meist in umgekehrter Richtung von dem fast immer etwas eingezogenen Milchausführungsgang auf der Mamille ein-, durch den Abszeß hindurch- und aus der Fistelöffnung wieder herausgeführt. Über die liegende Sonde (Abb. 2) haben wir den Fistelgang radiär aufgeschnitten und den Gang mit dem umgebenden chronisch-entzündlich veränderten Gewebe bis hinein in die Mamille exzidiert. Der saubere Wundgrund wurde nach sorgfältiger Blutstillung mit Einzelknopfnähten verschlossen sowie die Haut mit sog. Donathi-Nähten versorgt. Im Falle einer Mamillenretraktion haben wir die Brustwarze mit einer subkutanen Tabaksbeutelnaht an der Mamillenbasis wieder aufgerichtet. Bei größerer Eiteransammlung haben wir in zwei Fällen erst den Pus drainiert und danach in zweiter Sitzung in typischer Weise operiert. Eine offene Wundheilung haben wir nie angestrebt.

Die Begleitmedikation bestand in 17 Fällen in der Verabfolgung eines Antibiotikums meist Flucloxacillin (3 x 1 g für 8 -10 Tage), 14mal kombiniert mit Metronidazol (2 x 0,4 g). Nach bakteriologischer Austestung haben wir das Antibiotikum gelegentlich ausgetauscht. Darüber hinaus erhielten sieben Frauen zusätzlich noch Bromocriptinmesilat (2 x 2,5 mg ebenfalls für 8-10 Tage). In 10 Fällen verzichteten wir auf eine flankierende Medikation.

Ergebnisse

Die Tabelle zeigt eine Übersicht über die klinischen Daten unserer Serie mit subäreolärem Abszeß. 14 dieser 27 Casus (51,8%) waren bereits mit einer Milchgangsfistel kombiniert. Gleichviele, aber nicht dieselben, zeigten eine ein- oder beidseitige Mamillenretraktion. Die Anamnese dauerte in sieben Fällen (25,9%) schon Monate und in 11 Fällen (40,7%) sogar Jahre (bis 10). Zehnmal handelte es sich um Erstbeobachtungen (37,0%), hier konnten wir den Abszeß schon vor der Fistelbildung in angegebener Weise sanieren. Acht der 27 Fälle (29,6%) hatten extern schon bis zu sechs Voroperationen, immer von einem Warzenhofrandschnitt aus.

Tabelle 1 Übersicht über unsere Serie von 27 subareolären Abszessen
Anzahl (26 Frauen + 1 Mann) 27 Fälle

Beiderseits 2 (7,4%)
Median 34 Jahre
Altersspanne 16-78 jahre
Nulliparae 13(48,1%)
Mamillenretraktion 14 (51,8%)
Muchgangsfistel 14 (51.8%)
Zigarettenraucher 20 (74,1 %)
(unbekannt) 5 (18,5%)
Nichtraucher 2 (7,4%)
Anamnesendauer;
a) Erstbeobachtung 10 (37,0%)
b) Monate 7 (25,9%)
c) jahre 11(40,7%)
Voroperationen 8 (29,6%)
Zytologische Diagnose 8/8 (100%)
Verlauf
Rezidiv 1(3.7%)
Verschollen 3(11,1%)
rezidivfrei 23 (85,2%)

Bezüglich des Zigarettenkonsums konnten wir ermitteln, daß von unseren 27 Patientinnen bzw. unserem Patienten 20 (74,1 %) Zigarettenraucher waren. Zwei gaben an bis 10, 15 zwischen 15 und 30 und drei über 30 Zigaretten am Tage zu verkonsumieren. Zwei (7,4%) waren Nichtraucher .In fünf (18,5%) Fällen waren keine Angaben zu ermitteln. Zwei Frauen (7,4%) waren drogenabhängig.

Das Alter (16-78 Jahre) und die Parität (13 Nulliparae = 48,1 %) spielen bei diesem Prozeß offenbar keine Rolle. Zweimal (7,4%) haben wir die Läsion beiderseits und einmal (3,7%) mit zwei Fisteln beobachtet. Achtmal hatten wir den Abszeß mit der feinen Nadel punktiert und im Eiter zytobgisch massenhaft Hornschüppchen nachweisen können, was die Natur des Prozesses klärte.

Mit unserer Operationstechnik haben wir ein Rezidiv (3,7%) nach einem Jahr beobachtet. Es heilte nach einem erneuten typischen Eingriff rezidivfrei aus. Abgesehen von diesem Fall fanden wir bei unseren Recherchen (Rückfragen beim behandelnden Frauen- oder Hausarzt im Juni 1998) 23 (85,2%) Patientinnen rezidivfrei, drei (11,1 %) waren verschollen.

Diskussion

Die Diagnose ist sehr einfach, wenn man das Krankheitsbild nur kennt.

Klinisches Bild: Wie bei jeder Entzündung beginnt diese Erkrankung, die nicht selten auch mit einer Mamillenretraktion [1,7,9] und gelegentlich einer pastenartigen -sekretion [14,19] einhergeht, mit einer Rötung und Schwellung hinter der Mamille am Übergang zur Areola. Trotz antiphlogistischen Maßnahmen und Antibiose entwickelt sich fast immer ein Abszeß, der meist an der Mamillenbasis auf der Areola perforiert (Abb. 3). Oft bessert sich der Zustand nach der Eiterentleerung [9], aber das Rezidiv ist nach einigen Wochen oder Monaten so gut wie sicher Es resultiert die Milchgangsfistel (Abb.1)

Zytologie: Der abfließende Eiter, der auch vor der Perforation schon durch Feinnadelpunktion [11] gewonnen werden kann, enthält massenhaft Hornschüppchen, um die sich kranzförmig als Fremdkörperreaktion die Eiterzellen anlagern (Abb. 4). Mit dieser Methode kann man fast immer die Natur des Abszesses klären, was auch in allen acht von uns punktierten Fällen gelang.

Ähnlich wie beim Atherom [10,11] kann man im zytologischen Ausstrich neben den Granulozyten, Lymphozyten, in der PAP-Färbung die blaßrosa gefärbten kernlosen Hornschüppchen und Zelldetritus auch Fremdkörperriesenzellen, Histiozyten, Schaumzellen und kemhaltige Plattenepithelien finden [10,11].

Therapie: Meist wird in Unkenntnis der Ätiologie [9] der Abszeß entweder durch einfache Inzision eröffnet und drainiert, oder es wird versucht, von einem Mamillenrandschnitt aus ("Hadfield's procedure", zit. nach 5) den gesamten retromamillären Raum zu sanieren. Hierbei bleiben aber fast immer sowohl distal als auch nach proximal verhornende Plattenepithelreste zurück, die den Boden für Rezidive abgeben. Gleiches gilt freilich auch für die subkutane Mastektomie [9]. Chronisch-rezidivierende Abszesse mit Milchgangsfisteln sind die Konsequenz [1].

Ätiologiegemäß sollte man den Prozeß unter Allgemeinanästbesie durch einen zentralen Radiärschnitt [14,17,19] am besten über eine Sonde [1,9] angehen (Abb. 2). Die Sonde wird üblicherweise von der meist leicht eingezogenen Gangmündung eingeführt, durch den Abszeß geleitet und zur Fistelöffnung wieder herausgeschoben [19]. Die chronisch-entzündlich veränderte Fistelwand, in der sich auch die Plattenepithelreste befinden, werden zusammen mit dem befallenen Milchgang soweit wie nötig herausgeschnitten [1]. Der Wundverschluß kann primär erfolgen unter Korrektur der Mamille [15,18]. Eine Drainage ist in der Regel nicht nötig. Man kann aber auch die Wunde offen und sekundär heilen lassen [1], was wir jedoch nie taten. Rezidive werden bei dieser Technik kaum beobachtet [1,11].

Bei einer Gegenüberstellung von totaler Duktusexstirpation vs. Fistelausschneidung fanden Bunderd et al. [3] 2 Rezidive (16,7%) bei 12 Fistelausschneidungen und 7 Rückschläge (29,2%) bei 24 Fällen mit totaler Duktusexstirpation. Meguid et al. [12] berichten von 24 Patientinnen, die nach einfacher Inzision und Antibiotika alle rezidivierten, aber danach nach radiärer Fistelexstirpation alle rezidivfrei ausheilten. Passaro et al. [14] hatten unter 48 radiären Fistelexstirpationen nur ein Rezidiv zu beklagen.

Eine unterstützende Antibiotikatherapie ist zu empfehlen [3], aber unseres Erachtens nicht obligat.

Literatur

1 Atkins, H. J. B.: Mamillary fistula. Brit. Med. J. 2 (1955)1473-1474.
2 Bässler, R.: Pathologie der Brustdrüse: a) Muchgangsfistel, b) subareoläre Abszesse. In: Dörr, Seifert, Ühlingen Spezielle pathologische Anatomie. Bd. 11. Springer, Berlin, Heidelberg, New York (1978)300-304.
3 Bundred, N. J., D. J. T. Webster, R. E. Mansel: Management of mamillary fistulae.J. R. Coll. Surg. Edinb. 36(1991)381-383.
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5 Hartley, M. N., J. Stewart, E. A. Benson: Subareolar dissection for duct ectasia and periareolar sepsis. Brit.J. Surg. 78 (1991)1187-1188.
6 Hirsch, H. A., 0. Käser, F. A. Ihle: Atlas der gynäkologischen Operationen.
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7 Horch, R., M. Sökeland, M. Meybehm: Zur Duktektasie der Mamma und zur Mamma fistulans. Akt. Chin 25 (1990) 221 -224.
8 Kilgore, A. R., R. Fleming: Abscesses of the breast. Recurring lesions in the areolar area. California medici 77 (1952)190-191. ~ Kleinfeld, G.: Chronic subareolar breast abscess. J. Florida M. A. 53 (1966)21-24.
10 Kreuzer, G., E. Boquoi: Die Zytologie der weiblichen Brustdrüse. G. Thieme, Stuttgart, New York (1981).
11 L6pez-Rios, E, P~ Dhimes, R R de Augustin: Subareolar abscess the breast in a male. Acta cytologica 41(1997)1819 - 1822.
12 Meguid, M. M., A. 01er, R J. Numann, 5. Khan: Pathogenesisbased treatment of recurring subareolar breast abscesses. Surgery ~8 (1995)775-782.
13 Pahnke, V. G., H. J. Kitschke, M. Bernauer, R. Koll: Mastitis non-puerperalis - eine Erkrankung mit zunehmender klinischer Relevanz? Geburtsh. u. Frauenheilk. 45 (1985) 29-35.
14 Passaro, M. E., Th. A. Brougham, B. A. Sehek, C. 8. Esselstyn:
Lactiferous fistula.J. Amen Coll. Surg. 178(1994)29-32.
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19 Zuska, J. J., G. Crile, W. W. Ayres: Fistulas of lactiferous ducts. AmenJ. Surg. 81(1951)312-317.

Prof. Dr med. Gerhard Kreuzer
Chefarzt der Frauenklinik im
Zentralkrankenhaus Reinkenheide
D-27574 Bremerhaven